Liebe OMAS,
der ärgerlichste Passus auf der Inschrift auf dem blauen Band lautet: „Es ist kein ander Heil“, womit der König Friedrich Wilhelm IV den Anspruch erhebt, nur mit dem christlichen Glauben könne ein gutes Leben gelingen. Ein universeller Anspruch, der berechtigterweise einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat. Es geht nicht an, dass eine partikulare Glaubensgemeinschaft, die Christen, eine derartige universalistische Forderung erheben. Diese Inschrift verträgt sich nicht mit dem Konzept von Weltoffenheit, Vielfalt und Partizipation, schreibt der Vorstand der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin. Diese Frauen fühlen sich den Grundsätzen von Geschlechtergerechtigkeit, Anti-Rassismus/Anti-Kolonialismus verpflichtet. Wie der König, so verteidigen die Frauen hartnäckig humane Werte, die international gelten sollen. Was einen dazu bringen könnte, nach dem Ursprung des Universalismus zu fahnden.
Nicht wenige Zeitgenossen lehnen den christlichen Glauben vehement ab, und man reagiert eher gereizt, wenn man hört, dass in den Kirchen von der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte gesprochen wird. Doch in seinem 2016 erschienen Buch mit dem Titel: „Kirche als Moralagentur?“ schreibt der Soziologe Hans Joas: „Lange bevor die Menschheit überhaupt ein geographisch korrektes Wissen über den Globus und hinreichende Kenntnis der enormen Vielfalt der Kulturen und politischen Ordnungen auf der Welt erreicht hatte, hat die Kirche die Vision entwickelt, dass alle Menschen in einem Geist vereint werden können.“
Schon in der Antike, vor Christi Geburt, enstand die Vorstellung einer allen Menschen gemeinsamen Natur, die sich in den allen Menschen gemeinsamen Vernunft zeige; der Mensch wurde als das „animale rationale“ definiert. Die Universalität der Vernunft wurde von den Griechen stolz proklamiert, aber in der Praxis geleugnet, denn Frauen, Sklaven und Fremde waren nicht im Vollbesitz der Vernunft. Diesen inneren Widerspruch deckte der hellenistisch gebildete Apostel Paulus auf, wenn er sagt: Wir sind alle Brüder, moderner gesagt: Geschwister.
Dass viele Christen die jesuanischen Lehren nicht wirklich verstanden haben, zeigt sich daran, dass sie, wie die Griechen, ihre Glaubenslehren in ihrem Tun verleugneten. Was ihnen leicht fiel, weil sie sich mit der Aura einer höher entwickelten Kultur umgaben und alle, die dem hohen Maß nicht genügten, als minderwertig ansahen.
Das hört sich nun schlapp an, angesichts der fürchterlichen Verbrechen, die die Christen überall auf der Welt mit zu verantworten haben. In der Kriminalgeschichte des Christentum von Karlheinz Deschner wird man mit Sachverhalten vertraut gemacht, die einen die Haare zu Berge stehen lassen. Zutiefst erschrocken könnte man sich die Frage stellen: Was ist der Mensch?
Es wäre nun aber sehr unklug, diese Frage mit den Monstern der Weltgeschichte zu beantworten. Besser wäre es nach einem Universalismus Ausschau zu halten, der die Größe und die Schwäche des Menschen im Auge behält. Hier stoße ich sehr schnell auf meinem Lieblingsphilosophen Kant, der geschrieben hatte, dass der Mensch aus krummen Holze gemacht sei, aus dem nichts Gerades gezimmert werden kann.
Mit diesem Wissen im Hintergrund kann man als OMA einigermaßen entspannt auftreten. Wer ein Leben auf dem Buckel hat, weiß, dass der Mensch ein widersprüchliches Wesen ist. Das kann man nun traurig oder komisch finden. Ich neige dazu, es komisch zu finden. Insofern kann ich, wenn auch zähneknirschend, mit einem Ärgernis, wie dem Kreuz und dem blauen Band auf der Schlosskuppel, leben.
Inge
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